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Jede Menge Geschichte

Auf meinem Weg nach Baltimore halte ich im Gambrill State Park in der Nähe des kleinen Städtchens Frederick. Es liegt sehr günstig, um sich etwas näher mit der Bürgerkriegsgeschichte zu befassen. In der direkten Nähe ist das Monocacy National Battlefield und etwas weiter sowohl Antietam Battlefield als auch Harper's Ferry.

Für alle, die nicht so auf dem neuesten Stand sind, der amerikanische Bürgerkrieg war 1861- 1865 und endete mit dem Sieg der Union, das heißt den Nordstaaten. Die Konförderierten (Südstaaten) wurden von General Robert E. Lee befehligt, während die Union unter dem Kommando von General Ulysses S. Grant stand. Nach der Farbe ihrer Uniformen waren die Konförderierten die Grauen und die Union die Blauen.

Auf den National Battlefields werden in Ausstellungen natürlich die Aufstellung der Armeen und wie sie gezogen sind genauestens dargestellt. Was mich aber viel mehr beeindruckt hat, sind die Geschichten der Zivilisten, die oft einfach nur das Pech hatten, ins Schussfeld zu geraten.

Vom Visitor Center des Monocacy Battlefield sieht man auf eine weite Wiese, die Landstraße und dahinter ein großes Maisfeld. Neben dem Maisfeld kann man aus der Entfernung einige Farmhäuser mit den typischen roten Scheunen sehen. Eine ganz normale ländliche Szene, aber vor 160 Jahren war gerade der Chesapeak &Ohio Canal gebaut worden ebenso die Baltimore-Ohio Eisenbahn. Das waren die Lebensadern der damaligen Zeit.

Das Farmhaus gehörte der Familie Best, die dort mit ihren Kindern und den Arbeitern lebte. Gleich hinter dem Farmhaus verlief einerseits die Baltimore-Ohio Bahnlinie, andererseits der Monocacy River und schließlich auch noch der Georgetown Pike, das ist heute die Landstraße, auf der man u.a. zum Visitor Center kommt. Die Familie Best hatte also doppelt Pech, das ausgerechnet hier die Konförderierten auf ihrem Weg nach Washington, das ca. 80 km entfernt ist, durchkamen. Die Einheiten der Union hatten dagegen die Aufgabe, die Konförderierten solange als möglich aufzuhalten, damit die Truppen um Washington herum zusammengezogen werden konnten.

In der Ausstellung kann man sehr schön sehen und hören, was diese Schlacht am 9. Juli 1864 für die Farmer in der Gegend bedeutete. Nämlich, dass sie sich mit ihren Familien im Keller des Hauses verbarrikadierten, bis die Schlacht vorbei war. Danach war das Farmhaus durch das Gefecht stark in Mitleidenschaft gezogen, aber noch bewohnbar. Die Äcker waren völlig verwüstet, die Ernte vernichtet oder von den Truppen beschlagnahmt ebenso wie das Vieh. Die Toten wurden an Ort und Stelle beerdigt und jedes geeignete Gebäude als Hospital benutzt. Die Farmer mussten also mindestens 1 Jahr durchhalten, bevor sie vielleicht wieder mit einer Ernte rechnen konnten, vorausgesetzt, sie hatten Saatgut und es kam nicht noch eine Armee vorbei.

Zwar konnten sie Entschädigung für die Kriegsschäden verlangen, dann musste aber jemand von der Armee der Union bestätigen, dass die Schäden durch sie verursacht worden waren. Noch Fragen?

Ich versuche, mir das bildlich vorzustellen, aber ich weiß nicht wie. Es ist ein sonniger Tag, auf der Landstraße kommt hin und wieder ein Auto vorbei. Die Wiese ist ordentlich gemäht und hinter dem Maisfeld ist die Eisenbahnlinie durch Bäume verdeckt. Wie soll man sich da vorstellen können, was es heißt, Armeen aufziehen zu sehen? Wie die Kinder sich gefühlt haben müssen, als sie im dunklen Keller saßen, während draußen die Gewehre und Kanonen abgefeuert wurden? Welche Existenzängste die Eltern gehabt haben, nicht wissend, was sie noch vorfinden würden?

Die Schlacht haben übrigens die Konförderierten gewonnen. Es war die letzte, die sie auf dem Territorium der Union gewinnen konnten. Der Krieg endete ein Jahr später mit dem Sieg der Union.