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Wie bekommt man das Land bevölkert?

Im Verlauf meiner Reise habe ich aus erster Hand erfahren können, wie groß die Entfernungen zum Teil sind. Wir in Deutschland sind es gewohnt, von einem Ort zum nächsten sehen zu können. Das öffentliche Netz ist trotz vieler Unkenrufe in sehr gutem Zustand und bringt uns problemlos wohin wir wollen.

Hier kann man schon mal stundenlang geradeaus fahren und es passiert nicht viel. Öffentliche Verkehrsmittel beschränken sich im Großen und Ganzen auf Busse und die haben keinen besonders guten Ruf. Zugstrecken gibt es natürlich, aber darauf fahren größtenteils nur unglaublich lange Güterzüge, die teilweise von 2 Loks vorne und einer hinten gezogen werden. Passagierzüge gibt es nur auf ausgewählten Routen und man muss das Ticket im Vorfeld besorgen. Einfach zum Bahnhof gehen, Zug auswählen, Karte am Automaten ziehen und einsteigen kann man hier nicht.

Wie viel größer dieses Problem Anfang des 19. Jahrhunderts gewesen ist, machen mir 2 Projekte deutlich.

Einmal der Chesapeak & Ohio Canal, der Anfang des 19. Jhds. von Georgetown, DC, bis nach Cumberland, OH, gebaut wurde und auf dem Schiffe Güter, besonders Kohlen aus der Gegend um Cumberland, transportieren konnten. Eigentlich sollte der Kanal bis nach St. Louis führen, aber die Baltimore-Ohio Eisenbahn war zu dem Zeitpunkt schon fertiggestellt, so dass sich der weitere Ausbau des Kanals nicht mehr lohnte und 1850 eingestellt wurde. Anfang der 1920er Jahre war dann endgültig Schluss mit der Schifffahrt und der Kanal verfiel zunächst, bis er unter die Nationalparkverwaltung gestellt wurde. Der ehemalige Treidelpfad neben dem Kanal wird heute als wunderbarer Wander- und Radweg genutzt.

Unterwegs halte ich an einem der Visitorcenter an, weil ich mehr wissen möchte. Es ist in einem historischen Farmhaus untergebracht, wie man es sich in den Südstaaten vorstellt. Es ist eingeschossig, hat wunderschöne Sprossenfenster, die man nach oben schieben muss und eine Veranda mit Schaukelstühlen, von denen man auf die Überreste des Kanals und den Potomac River dahinter schauen kann. Es ist still hier und sehr friedlich. Der Besucherandrang hält sich so sehr in Grenzen, dass es nur noch von Freiwilligen geführt wird. Als ich kam, war ich der einzige Besucher und Rita Bauman, die Freiwillige, saß auf der Veranda und las in der Zeitung. Wir kamen schnell ins Gespräch und sie hat mir die Geschichte des Kanals erzählt, während wir es uns in den Schaukelstühlen bequem machten.

Wie wichtig dieser Kanal für die Erschließung der Gebiete war, wird einem bewusst, wenn man sich das – nicht vorhandene – Straßennetz aus dieser Zeit vor Augen führt. Es gab Feldwege, die öfters benutzt wurden und wenn man nicht gerade in diese Richtung wollte, dann ging es eben querfeldein. Keine besonders bequeme Art des Reisens und erst recht schlecht, um Güter schnell hin und her transportieren zu können.

Deswegen wurde in ungefähr der gleichen Zeit auch die erste nationale Straße, nämlich der Highway 40, der nunmehr von St. Louis bis nach Baltimore führt, gebaut. Es war das erste mal, dass die Regierung eine Straße finanzierte, die mehrere Bundesstaaten miteinander verband.

Er verläuft parallel zur Interstate 70 und führt einen durch schmucke kleine Orte und über eine Landstraße, die so steil bergauf und –ab führt, dass ich mir manchmal wie auf einer Achterbahn vorkomme. Manchmal bin ich so schnell über die steile Kuppe hinweg, dass mein Magen den Bruchteil einer Sekunde hinterher war...

Der Highway ist heute die Historic National Route und wer Zeit hat, dem wird es auf dieser Straße gefallen.

Ein besonderes Highlight auf diesem Highway waren für mich die beiden Privathäuser aus den 1930er und 1950er Jahren, die der amerikanische Stararchitekt Frank Lloyd Wright in der Nähe von Farmington, PA, gebaut hat. Fallingwater, das 1933-36 gebaut wurde, ist "the best all-time work of American architecture". Es wurde für die sehr wohlhabende Pittsburger Familie Kaufmann über einem Wasserfall errichtet und ist in seiner Art einzigartig. Wright hat nicht nur das Gebäude gebaut, sondern auch das Design innen entworfen.

Die Familie Hagan, Eiscremefabrikanten, waren mit den Kaufmanns befreundet und wollten deswegen auch ein Haus von Wright entworfen haben. Sie lebten nicht weit davon entfernt und konnten ihn schließlich dazu überreden. Kentuck Knob heißt ihr Haus, zu dem eine sehr steile Straße bergauf führt.

Auch hier hat er nicht nur das Gebäude entworfen, sondern auch die Inneneinrichtung und musste diese immer wieder mit der Bauherrin diskutieren, die einen mehr praktischen Stil favorisierte. Die Geschichten hierzu sind sehr amüsant. Offensichtlich war Mrs. Hagan genauso willensstark wie der Stararchitekt...