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Aus der Wüste zum Pazifik

Nach mehr als 5 Wochen staubiger Trockenheit und schroffer Felsen konnte mich nichts mehr aufhalten – ich wollte endlich wieder ans Meer. Ich wählte deswegen den schnellsten Weg von Las Vegas aus über Bakersfield nach San Simeon am Pazifik.

Der erste Teil der Tour war dermaßen langweilig, dass ich viel Sitzfleisch brauchte. Der Weg führt über die Interstate unten um das Death Valley herum. Eine Gegend, die so öde und langweilig ist, dass man sich bei Selbstgesprächen ertappt. Kurz vor Bakersfield kommt dann noch die ultimative Steigerung, ein so ausgedehnter Windpark, dass man kaum noch etwas von der Gegend sieht, was an sich nicht weiter dramatisch ist, denn die Unmengen von Windkrafträdern sind genauso häßlich. Jeder, dessen Selbstgespräch mittlerweile zum Sinn des Lebens abgedriftet ist, muss sich zusammenreißen, um nicht in Depressionen zu verfallen. Leider muss man um diese Monstrosität auch noch herumfahren, bis die Straße dahinter wieder etwas höher in ein Mittelgebirge führt, das gar nicht so übel ist.

Jedenfalls stehen hier und da doch tatsächlich mal Laubbäume, die ich schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen habe. Schließlich geht es wieder kontinuierlich bergab in die Ebene, wo Bakersfield die erste größere Stadt auf der Strecke ist. Damit eins klar ist, größer heißt keineswegs hübscher. Bakersfield versorgt einem mit allem, was man braucht, aber läßt den Sinn für Ästhetik weiter im Tiefschlaf vor sich hinvegetieren. Sie ist der Mittelpunkt in dieser Ebene, in der ausgeprägt Landwirtschaft betrieben wird. Am Straßenrand wird immer wieder Obst, Mandeln und Pistazien angeboten. Außerdem scheinen sie entweder Unmengen von Energie zu brauchen oder zu produzieren, denn diese häßlichen Strommasten sind überall. Außerdem ist nahe der Stadt auch noch ein weites Feld mit Ölpumpen übersät, was noch scheußlicher ist.

Kurz und gut - da diese Stadt einen keineswegs zu fesseln vermag, mache ich mich am nächsten Morgen gleich wieder auf den Weg. Die Straße führt an kilometerlangen Mandelbaumplantagen vorbei. Genau wie in Arizona ist die eine Seite der Straße grün, teilweise mit exakt gesäten Reihen an Getreide oder Gemüse, während die andere Seite nicht bearbeitet wird und deswegen staubtrocken und verdorrt ist. Die Wasserproblematik in Kalifornien hat zu Schildern am Straßenrand geführt, die fragen „Is growing food a waste of water?“ Tja, darüber kann man vortrefflich diskutieren. Ich meine, Ananas in Alaska zu ziehen ist genauso unüberlegt wie durstige Mandelbäume in der Wüste. Aber Gottseidank ist das nicht mein Problem.

Nach einer Weile ändert sich das Landschaftsbild langsam. Die Hügel in der Ferne rücken näher. Sie bestehen nicht aus schroffem Gestein, sondern sind mit trockenem Gras bewachsen. Sie sehen aus wie mit hellbraunem Velours überzogen, was die Landschaft weicher und gefälliger aussehen läßt. Viehherden grasen hier und es wird Getreide angebaut. Zum ersten mal seit langer Zeit sehe ich, dass Heu und Stroh gepresst wird und ich beobachte 2 Cowboys auf Pferden, die im Schritt hinter ein paar Rindern reiten. Das Ganze wirkt sehr viel zivilisierter und irgendwie vertrauter als die Nationalparks, die uns Respekt vor der Macht der Natur gelehrt haben.

Ich erreiche Paso Robles und das Bild ändert sich nochmal. Ich kann es kaum glauben, als sich Winzerei an Winzerei reiht. Die Mandelbaumplantagen weichen ausgedehnten Weinbergen. Auf den Parkplätzen vor den Winzereien stehen keine Pickups mehr, sondern wieder schicke Sportwagen und elegante Limousinen. Es wird Livemusik angeboten, genauso wie Essen, von dem ich wirklich hoffe, dass sie sich damit etwas mehr Mühe geben. Wäre eine Schande, guten Wein mit Junkfood zu ruinieren.

Schließlich ist die hügelige Landschaft sogar mit Bäumen bedeckt und ich habe fast den Eindruck, in Frankreich zu sein. Ich sehe wild wachsende Blumen auf den Hängen und Rosen säumen einige Weinberge. Endlich hat die Luft wieder einen Duft nach Gras, Blumen und nasser Erde. Endlich habe ich wieder das Gefühl, dass ich mich hier ohne Probleme zurecht finden kann. Anders als in den Nationalparks, wo ich mir ziemlich sicher war, dass mir das Wissen fehlt, um mich in der Wildnis behaupten zu können.

Noch einmal ackert sich meine Kiste auf moderate 600 Höhenmeter hinauf und dann liegt der Pazifik endlich vor mir. Ich halte an und fahre das Fenster runter – tatsächlich, man kann das Meer schon etwas riechen. Ich genieße den weiten Ausblick über die Velourshügel bis zum Meer.

Von nun an geht es ständig bergab, bis ich am Ende des Highways auf den Highway 1 stoße, der an der ganzen Pazifikküste von Kanada bis runter nach Mexiko führt. Auf ihm will ich eine ganze Weile fahren. Ich mache Halt auf dem Hearst San Simeon State Park. Von dort ist es ein Katzensprung zum Meer und dann stehe ich mit nackten Füßen im Pazifik!