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Seeligman am frühen Abend

Wir treffen am Nachmittag in Seeligman ein, dem Ausgangsort des längsten, noch bestehenden Teilstücks der Route 66. Der Ort belebt diesen Mythos nach Kräften und wir schlendern die nicht sehr lange Hauptstraße entlang. Wir betrachten das Roadkill-Cafe („you kill it we grill it“) und trinken einen Kaffee in Lilo's Cafe, wo wie auch in anderen Läden eine Menge alter deutscher Nummernschilder an der Wand hängen. Der Kaffee ist allerdings auch nicht besser als anderswo. Nur die Bedienung ist wirklich nett und lustig.

 

Die Sightseeingtour nimmt nicht wirklich viel Zeit in Anspruch, so dass wir auf dem einzigen Campingplatz des Ortes ausspannen und endlich wieder das Internet nutzen können.

Nur einen kurzen Fußweg entfernt haben wir einen niedrigen Flachbau gesehen mit dem Zeichen "Bar + Restaurant". Von außen sieht das Ganze so aus, als wenn es schon lange aufgegeben worden wäre, aber das Open-Zeichen scheint und so gehen wir hinein. Wir sind die einzigen Gäste in einem länglichen Raum, der am Eingang von einem Billardtisch dominiert wird. Daneben stehen ein paar Bistrotische und dann kommt auch schon die lange Bar. Direkt neben der Eingangstür steht die Jukebox und an der Wand hängen u.a. Fotos von John Wayne. Außerdem ein Schild, dass nächsten Samstag Karaoke angesagt ist. 2 Fernseher hängen hinter der Bar an der Wand. Auf dem einen läuft eine Kochshow, in der in irgendwelchen Restaurants riesige Mengen von Hackfleisch verbraten werden, um sie in Tacos zu füllen, in einer weißen Soße zu ertränken, die ihrerseits wieder irgendetwas anderes ertränkt oder über Hotdogs zu gießen. Nichts davon reizt mich im Geringsten, da mag der Typ noch so breit grinsen und begeistert tun.

Das Mädchen hinter der Bar sieht nicht alt genug aus, um nach amerikanischen Regeln Alkohol auszuschenken und so weiß sie zwar, welches regionale Bier sie haben, aber nicht wie es schmeckt. Egal, wir probieren einfach eins aus, das erstaunlich gut schmeckt.

Dann bestellen wir eine Pizza und halten uns an die einfache Regel: so klein wie möglich bestellen. Selbst diese Regel versagt diesmal, denn mir schwand Übles, als sie einen einfachen Metallständer auf unseren Tisch und den anderen auf den Nachbartisch stellt. Und dann kommt, was kommen musste: sie stellt zwei kinderrädergroße Platten auf die Gestelle und wünscht uns freundlich guten Appetit.

Wir tun unser Bestes und die Pizzen schmecken wirklich sehr lecker, aber irgendwann müssen wir die Waffen strecken. Es geht einfach nichts mehr! Wie überall macht das aber gar nichts, denn die Reste werden uns sogleich eingepackt.

Und während wir abwarten, ob wir auf der Stelle platzen oder zum Campground zurückrollen können, geht die Tür auf und 3 Cowboys kommen herein. Junge Männer Anfang 20, mit Stetson auf dem Kopf, staubigen Jeans und Stiefeln. Sie stellen die Bierflaschen auf den kleinen Tisch neben uns, legen ein paar Münzen auf den Rand des Billardtisches und dann geht es los. Einer wirft Münzen in die Jukebox, während der andere die Kugeln auf dem Tisch anordnet. Und dann spielen sie wunderbar schlecht Billard, während aus der Musikbox uralte Songs kommen. Wir sind so begeistert, dass wir auf das Platzen verzichten und uns noch ein Bier genehmigen, um ihnen zuzusehen.

Offensichtlich spornen wir sie an, denn ich bekomme ein breites Grinsen, als ich unsere Pizzaschachtel vor einem enthusiastischen Ausholen mit dem Billardstock rette.

Ich grinse ähnlich breit zurück, als die Tür wieder aufgeht und das Samstagabendklischee einer amerikanischen Kleinstadt komplettiert wird. Noch mehr Cowboys im gleichen Alter kommen herein, diesmal in Begleitung eines jungen Mädchens, die sich lautstark begrüßen und auch uns mit einem freundlichen Lächeln bedenken. Offensichtlich startet jetzt das wöchentliche Samstagabendprogramm, das sicherlich aus weiteren Runden Billard, Musik und viel Bier besteht. Bevor es noch zu einer peinlichen Karaokeeinlage kommen kann, nehmen wir unsere Schachtel und schleppen uns zum Campingplatz zurück.