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Ein unwirklicher Nationalpark

Der Grand Canyon Nationalpark steht wohl auf jeder Reise durch den Westen der USA ganz oben auf der Liste, so auch auf unserer. Und wir haben obendrein noch Glück, 2 Tage vorher hatte es nachts noch Frost gegeben, bei uns ist es sonnig und warm.

Wieder einmal fahren wir auf einer weiten Ebene und fragen uns, wo der Grand Canyon ist. Zunächst tut sich wenig. Wir fahren durch Kiefernwälder, die man in jedem Mittelgebirge finden kann.

Der erste Halt ist vom Osteingang gesehen Desert View mit dem Watchtower, einer Nachbildung eines Anasaziturms. Ich verliebe mich sofort in diesen Turm. Er ist mit Felsbrocken errichtet und passt sich der Umgebung perfekt an. Innen wurde er durch Künstler mit indianischen Motiven versehen. Durch die großen Scheiben und die Dachterrasse hat man einen ersten, unbeschreiblichen Blick auf den Grand Canyon.

Man hat diese Ansicht schon so oft gesehen, dass sie einem merkwürdig vertraut ist. So als wäre man schon zigmal da gewesen und dabei ist es für mich doch das erste Mal. Man steht da, starrt diesen weiten, mächtigen Canyon an und kann es doch nicht begreifen. Es ist, als würde man auf eine Fototapete sehen. Beeindruckend und doch so unwirklich.

Es ist der erste Nationalpark, der merkwürdig distanziert bleibt, so als würde er die Besucher nur ertragen, nicht aber an sich heranlassen. Das liegt sicherlich daran, dass es für „normale Wanderer“ nur den Rimtrail gibt, der fast durchgängig ebenerdig und asphaltiert ist. Man schlendert so vor sich hin, aber man kann den Park damit nicht „begreifen“. Dafür müsste man wohl eine mehrtägige Wanderung auf den Grund des Canyons machen, nur dafür fehlt uns einfach die Kondition. Es gibt noch 2 andere Trails, die aber auch viel Kondition und Trittfestigkeit verlangen. So bleibt uns nur, die Aussicht von den vielen Punkten zu bewundern.

Wenn man diese Aussicht nicht hat, ist der Park für meinen Geschmack einfach zu durchorganisiert, was aber bei der Masse an Besuchern auch erforderlich ist. Wie schon im Zion und im Bryce gibt es einen kostenlosen Shuttleservice, der so häufig verkehrt, dass man liebend gern das Wohnmobil auf dem Campground stehen lässt. Die Busse fahren nicht nur die Aussichtspunkte an, sondern auch die ganze Infrastruktur bestehend aus Visitorcenter, Hotels, Lodges, Garage, Supermarkt und Bank. Anders als in den anderen Parks herrscht abends nicht Ruhe, sondern der touristische Betrieb geht weiter. Lediglich auf dem parkeigenen Campground kann man sich einreden, dass man etwas in der Natur ist.

Dass die eigenen Erlebnisse hier einfach zu kurz kommen und man in der Rolle des Betrachtenden stecken bleibt, ist unbefriedigend. Anders als bei den anderen Nationalparks habe ich hier nicht das Gefühl, noch einmal herkommen zu wollen.