Woran denkt man, wenn man Arizona hört? Bei mir war es erstmal … nichts und dann fiel mir gerade noch Wüste ein. Mit dem, was ich dann aber sah, hatte ich nicht gerechnet.
Direkt an der Interstate erwarteten mich die ersten Reklameschilder für die örtlichen Winzereien. Dann kamen ausgedehnte Pistazien- und Walnussplantagen. Und schließlich üppig grüne Felder, die ich als Getreidefelder einschätzte. Rund um die Felder waren Gräben gezogen, damit diese bewässert werden konnten. Flächen, die nicht beackert wurden, sahen genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Knochentrockenes, leicht rötliches Land, das mit niedrigen Büschen, die auch halb vertrocknet aussahen, übersät war. Es war kurios; rechts der Straße Grün in exakt gezogenen Furchen, links staubige Wüste.
Ich grübelte einige Zeit, wie das möglich sein konnte, dass ein Wüstenstaat Wein und Getreide anbauen kann. Die Erleuchtung kam kurz vor der Grenze zu Kalifornien, als ich mehrmals über einen breiten Wasserkanal fuhr. Es ist das Central Arizona Project, kurz CAP genannt, das Wasser vom Colorado River über 335 ml in diesem breiten Kanal nach Arizona führt. 1973 begann der Bau dieses Kanals und 20 Jahre später war er beendet.
Es fragt sich, wie das immer stärker werdende Problem der Wasserversorgung dieses Projekt beeinflussen wird. Zumal die Amerikaner nicht dafür bekannt sind, dass sie ein Verständnis für den Klimawandel haben. Die Verschwendung von Ressourcen ist augenfällig, genauso wie die fehlende Einsicht, dass zu Gunsten einer besseren Umwelt Änderungen nötig sind.
Wird also solange Wasser in die Wüste gepumpt werden, bis nichts mehr da ist?
Auf meiner Weiterfahrt nach Nevada machte ich Halt am Lake Havasu und am Lake Mead. Beides sind riesige, künstliche Seen, die als Trinkwasserreservoir für Nevada, Utah, Arizona und Kalifornien dienen. Gespeist werden sie vom Colorado River, dem siebtgrößten Fluss Amerikas.
Der Colorado River wird aber gleichzeitig auch noch mehrmals gestaut, um Strom zu erzeugen. Seit 1938 ist der Hoover Dam, ein riesiger Staudamm, deswegen in Betrieb. Los Angeles und Las Vegas sind z.B. komplett davon abhängig, aber es ist auch ein weites Netz gezogen, das den ganzen Westen und Teile von Kanada mit Strom versorgt. Im Visitorcenter kann man sich einen Film mit älteren Bildern ansehen. Wenn man den ganzen patriotischen Unterton ausblendet, wird der Damm als herausragende Ingenieursleistung gewürdigt. Das ist er mit Sicherheit, aber das nützt einfach nichts mehr. Jeder, der die alten Bilder des Films ansieht und dann auf der Staumauer spazieren geht, muss einfach sehen, dass die weißen Ränder an den Seiten, die anzeigen, wo das Wasser mal gestanden hat, immer breiter werden.
Das gleiche Bild zeigt sich auch am Lake Mead und am Lake Havasu. Paradoxerweise reichen die Wasserförderanlagen schon nicht mehr ins Wasser und mussten verlängert werden. Am Lake Mead kann man vom Aussichtspunkt aus genau sehen, wo die Marina mal gewesen war und auch der CG, auf dem ich gerade stehe, ist immer weiter vom See entfernt.
Die langgezogene Insel auf dem mittleren Foto zeigt sich auf älteren Bildern als 2 kleine Inselchen, wobei nur der braune "Gipfel" aus dem Wasser ragt.
Die Ursachen dafür sind vielfältig. Die Anrainerstaaten und Mexiko entziehen dem Fluss ihr Kontingent an Frischwasser. Und dieses Kontingent muss für immer mehr Menschen und ausgedehnte Landwirtschaft reichen. Las Vegas und Phoenix sind die am schnellsten wachsenden Städte im Westen. Die Bevölkerung entwickelt erst langsam ein Bewusstsein dafür, dass Wasser eingespart werden muss. Und keineswegs, weil man davon überzeugt ist, sondern weil z.B. Kalifornien gezwungen ist, Wasserverschwendung unter Strafe zu stellen. Wobei gleichzeitig die Landwirtschaft von irgendwelchen Sparmaßnahmen oder Sanktionen ausgenommen wird. Dürfte in etwa so effektiv sein, wie Autofahrer zum Sparen anzuhalten, aber die gesamte Schwerindustrie weiter nach Lust und Laune prassen zu lassen.
Aber selbst Einsparungen dürften das Problem nicht lösen, denn der Colorado führt klimabedingt immer weniger Wasser. Er wird nicht nur aus Regenniederschlägen gespeist, sondern ganz wichtig aus der jährlichen Schneeschmelze. Und die fällt immer dürftiger aus. Seit nunmehr 14 Jahren sinkt der Wasserspiegel deswegen kontinuierlich. Es wird zwar behauptet, dass der Lake Mead, als größtes Wasserreservoir Nordamerikas, noch zu 1/3 gefüllt sei, aber dabei sollte man berücksichtigen, dass durch die Ablagerungen des Colorado Rivers auch Sedimente mitgebracht werden, die sich im See ablagern. Dadurch hebt sich der Boden des Sees an, so dass die Vermutung, dass noch 1/3 da sei, auch reiner Zweckoptimismus sein könnte.
Besonders dramatisch finde ich, das dieser mächtige Fluss seit Jahren in seinem Delta nicht mehr ankommt. Es wird soviel Wasser entnommen, gestaut und verbraucht, dass das Flussdelta in Mexiko nichts mehr abbekommt und versandet. Welche Auswirkungen das auf die Ökologie hat, kann sich jeder leicht ausrechnen.
Doch leider rechnen nicht viele hier. Statt sich dem Problem wirklich zu stellen, sucht man Wege, um an neues Wasser zu kommen und das kann logischerweise nur aus dem Grundwasser kommen. Es werden also Wasserrechte gehandelt, damit man das Grundwasser anzapfen kann. Mittlerweile werden von Bohrungen in bis zu 1000m Tiefe gesprochen. Dass das Problem dadurch nur verschärft wird, wird in Kauf genommen. Es scheint wichtiger zu sein, den bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, als zu begreifen, dass ganze Gegenden sich durch das Anbohren des Grundwassers absenken und Täler einfach austrocknen können.
Mir geht der ketzerische Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht einer Katastrophe wie dem seit langem prophezeiten schweren Erdbeben in dieser Region bedarf, um diese Tendenz nicht nur zu stoppen, sondern vielleicht in eine neue Bahn zu lenken.